- "Diese übertriebenen Gefälligkeitszeugnisse sind ein völlig unnötiger Datenballast, darauf kann ich verzichten!"
- "Zeugnisse interessieren mich nicht, aber meine Auftraggeber legen leider Wert darauf!"
- "Schriftliche Leistungsnachweise dürfen nicht fehlen, weil die Bewerbung sonst unvollständig ist!"
- "Arbeitszeugnisse sind immer noch ein unterstützender Faktor im Bewerbungsverfahren!"
Was denken Headhunter wirklich über Arbeitszeugnisse? Welchen Stellenwert haben die schriftlichen Beurteilungen tatsächlich noch im Auswahlprozess? Und welche guten Alternativen gibt es?
Headhunter: Was denken sie über Arbeitszeugnisse?
Keine Frage, das Thema "Sinn und Unsinn von Arbeitszeugnissen" lässt die Emotionen der Beteiligten schnell hochkochen.
Personalmitarbeiter beschweren sich über pingelige Arbeitnehmer, die Bewertungen und Formulierungen in Zwischen- oder Endzeugnissen einfach nicht widerspruchslos hinnehmen wollen.
Beurteilte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben oft Schwierigkeiten damit, die spezielle Zeugnissprache in klare Aussagen zu übersetzen und fühlen sich ungerecht beurteilt. Stichwort: "Gegenentwurf erstellen"
Führungskräfte werden häufig in die Auseinandersetzungen zwischen Personalabteilung und (ehemaligen) Mitarbeitern hineingezogen und sollen Eskalationen und Streit irgendwie schlichten.
Und Headhunter und Personalberater? Was denken eigentlich diese Dienstleister, die bei der Suche nach passenden Arbeitnehmern für Unternehmen eine wichtige Rolle spielen?
Shortlist muss begründet werden
Zugegeben, als Bewerbungsberater und Zeugnisdienstleister mit 30 Jahren Erfahrung, sind wir in dieser Diskussion nicht unparteiisch.
Schließlich optimieren und formulieren wir ständig Arbeitszeugnisse für CEOs, Bereichsleiterinnen, Abteilungsleiter, Projektleiterinnen, Teamleiter oder Fachspezialisten.
Experten-Tipp
Die Statements, die wir aus erster Hand von Headhuntern zu hören bekommen, sind häufig gleich.
- Zunächst wird beklagt, dass Arbeitszeugnisse eigentlich keine Aussagekraft hätten.
- Dann wird darauf hingewiesen, dass mittlerweile "doch jeder" sein Arbeitszeugnis selber schreiben würde.
- Letzlich wird zugegeben, dass der Aufgabenblock, die Gesamtnote und der Schlussabsatz ("Kündigungsgrund", "Dank und Bedauern über den Weggang", "Gute Zukunftswünsche") natürlich doch immer zumindest überflogen, sprich gelesen, werden.
- Und Arbeitszeugnisse damit auch ergänzend in die Entscheidungsfindung einfließen!
Die Statements der Headhunter sind für uns auch wenig überraschend. Schließlich stehen Recruiter unter erheblichem Begründungsbedarf, wenn sie ihren Auftraggebern eine überzeugende Shortlist mit geeigneten Kandidaten vorstellen.
Vollständige Unterlagen sind ein Muss
Sicherlich gehen die meisten Headhunter mit dem Thema "Stellenwert von Arbeitszeugnissen" ganz pragmatisch um.
Fehlt beispielsweise ein Arbeitszeugnis für eine berufliche Position, kann dies aus Sicht der externen Personaldienstleister ein Indiz dafür sein, dass die Bewerberin oder der Bewerber eine schwache Leistungsbeurteilung einfach weggelassen hat.
Kommen weitere Auffälligkeiten hinzu, beispielsweise eine öfter kürzere Verweildauer bei früheren Arbeitgebern, wird im Video-Interview, im Telefoninterview oder persönlichen Gespräch mit Sicherheit dazu nachgehakt werden.
Insgesamt haben Zeugnisse aus Headhuntersicht bei der Kandidatensuche also durchaus einen Stellenwert.
Schnellleser: Darauf achten sie!
Professionelle Recruiter sind Meister in der Bearbeitung von großen Datenmengen.
Sie wissen, worauf sie bei der Analyse von CVs achten müssen, sie sind erfahren darin, berufliche Brüche, Fehlentwicklungen und Lücken aufzuspüren.
Und sie wissen auch, dass einige suchende Arbeitgeber durchaus Wert auf stimmige Arbeitszeugnisse legen.
Beispiel
Was ist ein stimmiges Arbeitszeugnis?
Aufgabenblock: Hier sollten die Angaben im CV und der Tätigkeitsblock im Arbeitszeugnis im Wesentlichen übereinstimmen.
Gesamtnote: Die zusammenfassende Leistungsbeurteilungen sollte "gut" oder "sehr gut" sein. "Befriedigende" Noten sind für Führungskräfte in der Regel ein K.o.-Kriterium.
Schlussabsatz: Hier sollte der Kündigungsgrund nachvollziehbar sein. Idealerweise sollte für die engagierte und produktive Arbeit gedankt und der Weggang bedauert werden. Wird am Ende "weiterhin alles Gute und viel Erfolg" gewünscht, spricht dies für den beurteilten Arbeitnehmer.
Besondere Erfolge: Werden im Arbeitszeugnis ausdrücklich besondere Erfolge erwähnt, beispielsweise Kostensenkungen, Qualitätsverbesserungen, Prozessoptimierungen oder Projektarbeit wird das berufliche Profil des Arbeitnehmers deutlicher erkennbar.
Führungsleistung: In Arbeitszeugnissen von Managerinnen und Managern sollte auch die Anzahl der geführten Mitarbeiter, der bevorzugte Führungsstil und der dazugehörige Führungserfolg beschrieben werden.
Von wegen: überflüssig!
Damit ist umrissen, was Headhunter und Personalberater im Allgemeinen von Arbeitszeugnissen halten.
Die schriftlichen Beurteilungen werden häufig als zusätzliches Element im Auswahlprozess angesehen, um die Erfolgsbilanz ("Track Record") von Kandidaten zu unterstützen.
Weiter sind Zeugnisse für manche Searcher ein Nachweis gegenüber den suchenden Unternehmen, um Vorschläge von der Shortlist möglichst umfassend zu begründen.
Coaching-Tipp
Wenn Sie die Möglichkeit haben, Einfluss auf Ihr Arbeitszeugnis zu nehmen, beispielsweise im Rahmen eines Aufhebungsvertrages oder weil Sie einen sehr guten Draht zu Ihrem direkten Vorgesetzten haben, sollten Sie diese Chance nutzen.
Die Optimierung ist zwar mit einigem Aufwand verbunden, diese kann jedoch an Zeugnisdienstleister delegiert werden.
Schließlich begleitet Sie Ihr Arbeitszeugnis ein Arbeitsleben lang - dies gilt sowohl für gute, aber leider auch für durchschnittliche oder gar schlechte Beurteilungen.
Neue Herausforderung gesucht?